Bilsenkraut (Hyoscyamus niger)
Ist Bilsenkraut (Hyoscyamus niger) giftig?
Wirklich unvorstellbar, was es in einer öffentlichen Sauna, wo die Menschen dicht gedrängt wie die Hühner auf der Stange zu sitzen pflegen, für Folgen hätte, wenn beim Aufguß Wirkstoffe des Bilsenkrauts zur Anwendung kämen, wie es in den Badestuben des Mittelalters bisweilen geschehen konnte.
In alten Schriften ist nämlich zu lesen, daß schelmische Gesellen etwas Bilsensamen in den Ofen geworfen hätten und daß daraufhin die Badegäste mit den Reisigbesen aufeinander losgegangen wären. Es steht heute fest, daß Bilsenkraut Halluzinationen hervorrufen kann und – wenn es verbrannt wird – offenbar auch Aggressionen erzeugt.
Wie wirkt Bilsenkraut?
Für die Ärzte gilt Bilsenkraut heute als ein wertvolles Medikament. Es wird erfolgreich angewendet bei Alterstremoren, den mehr oder weniger rhythmischen, unkontrollierten Zitterbewegungen einzelner Körperteile. Aber auch bei Schüttellähmungen, der Parkinsonschen Krankheit, ist Bilsenkraut eine erfolgversprechende Arznei. Rheumakranken verordnen die Ärzte das Öl aus dieser Pflanze als Einreibemittel.
Bilsenkraut wirkt auf das gesamte Nervensystem und wird gerne bei starken Erregungszuständen angewendet, aber auch als schmerzstillendes und krampflösendes Mittel. Das Bilsenkraut kann hier als Ersatz von Opium angesehen werden, mit dem Vorteil, daß es keine Verstopfung hervorruft. Bilsenkraut wird angewendet gegen Reiz- und Krampfhusten, aber auch bei schwerer Form der Schlaflosigkeit, bei Nervenlähmung und Genickstarre, bei Alterssklerotikern nach Aufregungen und bei Alkoholikern, die im Delirium leben.
Das Bilsenkraut ist eine Pflanze, deren Giftigkeit schon von den Ärzten des Altertums für Heilzwecke genutzt wurde. Die indogermanischen Völker kannten und nutzten sie, Dioskurides beschreibt sie als Wahnsinn hervorrufend, während ihre frischen Blätter als Umschlag schmerzstillend wirken. Plinius empfahl sie bei Zahnschmerzen. Bevor das Chloroform entdeckt wurde, verwendeten die Ärzte das Bilsenkraut als Narkotikum bei Operationen, heißt es in Schriften aus dem 15. Jahrhundert.
Die Mediziner hatten beobachtet, daß Bilsenkraut in geringen Mengen Halluzinationen und dann sinnloses Schwatzen und zuletzt Tobsuchtsanfälle verursacht, aber auch, daß nach größeren Mengen zuerst Schlaftrunkenheit und dann Bewußtlosigkeit eintritt. In der Zauberei und bei Hexen spielte das Bilsenkraut von jeher eine bedeutende Rolle, was ohne Zweifel auf seine sinnestäuschenden und betäubenden Eigenschaften zurückzuführen ist. Heute weiß man, daß die in der Pflanze enthaltenen Solanacengifte die abenteuerlichsten Visionen und auch Gefühle des Fliegens hervorrufen.
Wo wächst Bilsenkraut?
Das Bilsenkraut ist eine über ganz Europa und weite Teile Asiens verbreitete Pflanze. Es wird angenommen, daß die Zigeuner für diese Verbreitung gesorgt haben, da sie es über Jahrhunderte hinweg für ihre mannigfachen Künste verwendet haben. Die Pflanze ist zweijährig. Im ersten Jahr entwickelt sich eine sogenannte Grundrosette, im zweiten Jahr wachsen die bis zu einem Meter hohen und verästelten Stengel. Die großen Laubblätter sind länglich und grob gezähnt.
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Die Blüten sind schmutziggelb und von violetten Adern durchzogen. Blütezeit: Juni bis September. Die Frucht ist länglich und enthält kleine, zusammengedrückte Samen. Die gesamte Pflanze ist drüsenhaarig-zottig, klebrig und von widerlichem Geruch. Sie wächst auf Ödplätzen, an Hecken und an Wegrändern. Zur Arzneigewinnung wird sie angebaut. Medizinisch verwendet werden die Blätter und die Samen. Zur Selbstmedikation eignet sich das Bilsenkraut nicht, da die genaue Dosierung der giftigen Inhaltsstoffe dem Fachmann überlassen werden muß.
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